Pressemitteilung, Frankfurt am Main, 19. Mai 2017

ADFC-Fahrradklima-Test in Hessen

Wo Radverkehr Chefsache ist, kann viel in Bewegung kommen

Baunatal ganz vorn, Wiesbaden erneut auf dem letzten Platz

Vier hessische Städte werden als bundesweite "Aufholer" ausgezeichnet

Frankfurt am Main. Mit der Note 2,57 hat Baunatal die beste Bewertung einer hessischen Stadt im bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Test 2016 erhalten. Dahinter platzieren sich Mörfelden-Walldorf (2,76) und Kriftel (3,02). Am schlechtesten schneiden Wiesbaden (4,61) und Limburg (4,50) ab. Baunatal, Marburg, Hanau und Offenbach haben sich auch im bundesweiten Vergleich besonders stark gegenüber dem Fahrradklima-Test 2014 verbessert und sind daher heute in Berlin als "Aufholer"-Städte ausgezeichnet worden. Die Resultate der hessischen Kommunen stellte der ADFC Hessen zeitgleich in Frankfurt am Main vor.

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine Befragung von Rad Fahrenden, die als wichtigstes Stimmungsbarometer zur Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte und Gemeinden gilt. Im Herbst 2016 haben sich rund 120.000 Menschen bundesweit daran beteiligt. Dabei wurden 539 Städte und Gemeinden in verschiedenen Größenklassen bewertet. 61 davon liegen in Hessen.

Baunatal belegt bundesweit den ersten Platz in der Kategorie "Aufholer" bei Städten und Gemeinden bis 50.000 Einwohnern

In Hessens bestbewerteter Stadt Baunatal (Verbesserung um 0,45 Notenpunkte) ist Radverkehr Chefsache. Bürgermeister Manfred Schaub ist selbst begeisterter Alltags- und sportlicher Freizeitradler. Ein Radverkehrsbeauftragter, eine Projektgruppe Radwege mit Bürgerbeteiligung und Fahrradkampagnen gehören zu den Eckpfeilern der städtischen Verkehrspolitik. Stark verbessert hat sich Baunatal bei Abstellanlagen und Wegweisung. Mit Lückenschlüssen und einer schnellen Raddirektroute nach Kassel sollen noch mehr Baunataler aufs Rad gebracht werden - auch Berufspendler. "Die Stadt Baunatal hat den Radverkehr sehr gut auf dem Schirm und bemüht sich permanent um Verbesserungen", lobt Jürgen Vöckel, stellvertretender Kreisvorsitzender des ADFC Kassel Stadt und Land, das Engagement der Kommune.

Marburg belegt bundesweit den ersten Platz in der Kategorie "Aufholer" bei Städten von 50.000 bis 100.000 Einwohnern

In Marburg (Verbesserung um 0,44 Notenpunkte - Gesamtnote 3,72) war es vor allem das jahrelange Engagement der Bevölkerung, das die Verwaltung in Bewegung gebracht hat. Eine Fahrradbeauftragte, mehr Fortbildung für städtische Verkehrsplaner, die Einrichtung von Fahrradampeln und ein Plan zur Entwicklung des Radverkehrs sind konkrete Ergebnisse. Bei den Ampelschaltungen konnte sich die Uni-Stadt um eine ganze Note (0,99 Notenpunkte) verbessern. Insgesamt kann in Marburg von einer echten Aufbruchstimmung für den Radverkehr gesprochen werden.

Hanau belegt bundesweit den zweiten Platz in der Kategorie "Aufholer" bei Städten von 50.000 bis 100.000 Einwohnern

In Hanau (Verbesserung um 0,31 Notenpunkte - Gesamtnote 3,57) wird die Fahrradinfrastruktur im Allgemeinen - und ganz konkret die Situation der Abstellanlangen positiver bewertet. So stehen an allen acht Hanauer Bahnhöfen überdachte Bike+Ride-Anlagen einschließlich mietbarer Fahrradboxen zur Verfügung. Hanau organisiert Fahrradaktionstage und hat einen Radroutenplan für das Stadtgebiet erarbeitet. Insgesamt wird die Fahrradförderung in jüngster Zeit als stark verbessert (0,9 Notenpunkte) empfunden.

Offenbach belegt bundesweit den dritten Platz in der Kategorie "Aufholer" bei Städten von 100.000 bis 200.000 Einwohnern

Ähnlich wie in Baunatal hat das Radfahren auch in Offenbach (Verbesserung um 0,16 Notenpunkte - Gesamtnote 3,77) einen engagierten Fürsprecher in Person des Stadtoberhauptes. Unter dem radelnden Oberbürgermeister Horst Schneider öffneten sich viele Einbahnstraßen für den Radverkehr - und er ist eine Galionsfigur von "Offenbach fährt fair", einer Kampagne zur Verbesserung des Verkehrsklimas, die gemeinsam mit dem ADFC gestartet wurde. Eine gute Bewertung erhält Offenbach für seine Fahrrad-Infrastruktur, auch für ihre Wegweisung erntete die Stadt eine bessere Note.

In vielen Städten herrscht Stillstand und Rückschritt

Doch die "Aufholer"-Städte sind nicht typisch für alle hessischen Orte. Die 48 Kommunen in Hessen, die 2016 und 2014 in die Wertung kamen, weisen wie vor zwei Jahren die Durchschnittsnote 3,7 auf. Auch die beiden größten hessischen Städte, Frankfurt am Main und Wiesbaden konnten sich nicht verbessern:

Frankfurt am Main muss eine leichte Verschlechterung seiner Gesamtnote (von 3,61 auf 3,77) hinnehmen und ist bundesweit aus den Top Ten der Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern herausgefallen (von Platz 8 auf Platz 12). Während die Mainmetropole beim Problem Falschparken auf Radwegen, der Radverkehrsführung an Baustellen und Fahrrad-Diebstählen ausgesprochen schlecht abschneidet, punktet sie mit geöffneten Einbahnstraßen und der guten Mitnahmemöglichkeit im Nahverkehr. "Obwohl die Fahrrad-Infrastruktur insgesamt nicht schlecht beurteilt wurde, fühlen sich die Radler in Frankfurt nicht sicher", erkennt Bertram Giebeler, verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Frankfurt anhand der Umfragedaten. Sein Fazit: "Frankfurt tritt auf der Stelle - obwohl man zweifellos das Potenzial hätte, weiter nach vorn zu kommen. In einer von großen Pendlerströmen geprägten Stadt geht das aber nur, wenn man dem Radverkehr auch mehr Platz einräumt."

Wiesbaden wiederholt die negativen Ergebnisse der Vorjahre und belegt wie 2014 und 2012 den letzten Platz unter den 39 Städten über 200.000 Einwohner. Dabei verschlechterte sich die Gesamtnote noch einmal leicht (von 4,55 auf 4,61). Der Wiesbadener ADFC-Aktivist Günni erklärt, weshalb sich die Landeshauptstadt nicht verbessern konnte: "In Wiesbaden wird einfach nicht an den Radverkehr gedacht. Es fehlt an allem: An durchgängigen Radverbindungen, ausreichend breiten Radwegen und praktischen Abstellmöglichkeiten für Fahrräder." Das einzige, was sich in den letzten Jahren in der hessischen Landeshauptstadt beim Radverkehr verändert hat, ist die Anzahl der Bürger, die ihren Unmut über die bestehenden Zustände äußern: Sie ist mit 1.563 Teilnehmern am Fahrradklima-Test 2016 zweieinhalbmal so groß wie vor zwei Jahren.

Erfolgsfaktoren und Ansatzpunkte für Verbesserung

Stefan Janke, Vorsitzender ADFC Hessen, sieht einen wichtigen Erfolgsfaktor beim Fahrradklima-Test in der Identifikation der Kommunalpolitiker mit dem Radfahren: "In den hessischen Aufholer-Städten stehen Verantwortliche an der Spitze der Verwaltung, die wissen, wie man modernen Radverkehr gestaltet und das auch beherzt in die Tat umsetzen. Wo Radverkehr Chefsache ist, kann viel in Bewegung kommen."

In beiden Bereichen - den Kenntnissen zu moderner Radverkehrsgestaltung und der Entschlusskraft sie zu realisieren - können sich viele hessische Städte nach Ansicht des ADFC Hessen noch deutlich weiterentwickeln. Im Gegensatz zum letzten Fahrradklimatest 2014 haben Städte und Gemeinden heute die Möglichkeit, sich einer Institution anzuschließen, die sie unterstützt, bessere Rahmenbedingungen für Radfahrer (und Fußgänger) zu schaffen: die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH). Der 2016 vom Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium gegründeten AGNH gehört bereits ein Drittel der hessischen Kommunen an.

Stefan Janke: "Wir hoffen, dass das Kompetenznetzwerk AGNH neben dem Wissenstransfer auch eine ‚Kultur des Machens' bewirkt. Es würde uns sehr freuen, wenn dies zu einem verbesserten Abschneiden hessischer Städte und Gemeinden beim nächsten ADFC-Fahrradklima-Test führt."


Zu den Fahrradklima-Test-Ergebnissen der 61 hessischen Kommunen.


Zu den Erläuterungen der Pressekonferenz am 19. Mai


Weitere Informationen zum Hintergrund des ADFC-Fahrradklima-Test 2016

Der Fahrradklima-Test ist eine nicht repräsentative Befragung von ADFC und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, an der sich im Herbst 2016 insgesamt 120.000 Menschen bundesweit beteiligt haben. Dabei wurden 539 Städte in verschiedenen Größenklassen bewertet. Die Umfrage wurde insgesamt zum 7. Mal durchgeführt. Die letzten Erhebungen gab es 2014 und 2012. Die Umfrageteilnehmer sind überwiegend auch gleichzeitig Autofahrer: 94 Prozent haben einen Führerschein, 73 Prozent steht ein Auto zur Verfügung. Über 80 Prozent der Teilnehmer sind nicht ADFC-Mitglied.

Über den ADFC Hessen

Der 1986 gegründete ADFC Hessen zählt über 14.000 Mitglieder. Der Landesverband vertritt die Interessen der Radfahrenden in Hessen gegenüber der Landespolitik und betreibt darüber hinaus vielfältige Aktivitäten: So betreut der ADFC Hessen im Auftrag des Landes die Wegweisung der Hessischen Radfernwege, berät Unternehmen und Kommunen, die fahrradfreundlich werden wollen (bike + business), zertifiziert fahrradfreundliche Unterkünfte (Bett+Bike) und bietet Radfahrkurse für Erwachsene an. In nahezu jedem hessischen Landkreis gibt es einen Kreisverband, in vielen Kommunen auch örtliche ADFC-Gliederungen. Dort kümmern sich die Aktiven um Belange des Radverkehrs, organisieren Radtouren und bieten verschiedene Serviceleistungen wie Fahrradcodierungen an.

Pressekontakt ADFC Hessen e.V.:
Norbert Sanden
Löwengasse 27A
60385 Frankfurt am Main
Tel.: 069 9563460 - 41
Fax: 069 9563460 - 43

E-Mail:
www.adfc-hessen.de

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