ADFC Hessen: Nachrichten

15.01.2014

Stefan Janke: "Wir wollen die interne Vernetzung verbessern
und uns neuen Trends schneller anschließen"


Interview anlässlich der ersten 100 Tage im Amt des Landesvorsitzenden


Am selben Wochenende wie die Bundestags- und Landtagswahlen kürte der ADFC Hessen seinen neuen Landesvorsitzenden Stefan Janke. Das ist nun gut 100 Tage her. Welche Bilanz lässt sich jetzt schon ziehen - was wurde bereits auf den Weg gebracht?

Stefan Janke - Foto: Torsten Willner

Wenn nach 13 Jahren die Position des Vorsitzenden gewechselt wird, dann gilt es zunächst, Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Vorstand neu zu verteilen, Teamarbeit weiter zu fördern sowie die Ziele teilweise neu zu definieren und festzulegen. Natürlich will man immer mehr erreichen, als man an Zeit und Ressourcen zur Verfügung hat, aber um Erfolge feiern zu können, müssen Ziele realistisch gesetzt werden. Das muss sich nun auch erst alles einspielen, da ich sicherlich auch einen anderen Führungsstil und andere Schwerpunkte haben werde als mein Vorgänger. Wir haben sozusagen 2013 Anlauf genommen, die Weichen gestellt und wollen dann 2014 dann richtig durchstarten - genau wie die neue Landesregierung.

2014 wird ein spannendes Jahr für den ADFC Hessen: Wir bekommen eine neue Landesregierung mit einem grünen Verkehrsminister und erleben gleichzeitig das erste komplette Jahr mit Stefan Janke als Landesvorsitzenden. Im schwarzgrünen Koalitionsvertrag liest man ja eine eher vage Sympathieerklärung fürs Radfahren. In welchen Themenfeldern will der ADFC Hessen Einfluss nehmen, damit die Förderung des Radverkehrs die nötige Substanz erhält - und wie soll das geschehen?

Stefan Janke - Foto: Torsten Willner

Vor meiner Wahl sagte ich schon, dass wir ungeachtet der jeweiligen politischen Mehrheiten dem ADFC Hessen mehr Gehör verschaffen wollen, um das Fahrrad und den Radverkehr massiv zu fördern. Auch wenn nun im Koalitionsvertrag keine handfesten Zusagen oder Ziele zu finden sind, kann das ja auch von Vorteil sein. Wer weiß: Vielleicht werden bei der angekündigten "deutlichen Erhöhung des Radverkehrs bis 2020" die Ziele aus dem Nationalen Radverkehrsplan sogar noch übertroffen? Radverkehr findet vermehrt im Nahverkehr statt, doch das Land hat die finanzielle Förderung für die Kommunen in den letzten Jahren systematisch gekürzt. Hier ist ein wichtiger Ansatz, denn mehr Radverkehr braucht mehr Platz. Und die Kommunen brauchen Geld, um die dafür nötige Infrastruktur zu schaffen. Noch viel mehr Menschen würden gerne und öfter aufs Fahrrad steigen, wenn sie den Radverkehr positiver erleben würden. Neben der finanziellen Förderung ist auch eine Flankierung mit einer positiv-emotionalen Berichterstattung über den Radverkehr sowie mit Imagekampagnen des Landes und der Kommunen sehr wichtig. München ist für uns ein gutes Beispiel.

Ende 2013 hat der ADFC Bundesverband sein Verkehrspolitisches Programm beschlossen - und in den kommenden sechs Jahren gilt es, die Realisierung des Nationalen Radverkehrsplans zu begleiten. Welche Schwerpunkte lassen sich hierfür aus hessischer Sicht nennen?

Das Verkehrspolitische Programm des ADFC, an dem auch der ADFC Hessen mitgewirkt hat, ist eine wunderbare Basis, die uns nun noch besser helfen wird, in vielen Bereichen das Thema "Radverkehr" zu vertreten. Es fängt an beim noch ausstehenden Einführungserlass des Verkehrsministeriums für die ERA 2010 (Empfehlungen für den Bau und Betrieb von Radverkehrsanlagen), geht weiter über eine Mobilitätserziehung hin zum Fahrrad (Verkehrspädagogik), die bereits im Kindergarten beginnt und bis zur Hochschule/Ausbildung fortgeführt wird. Dann folgt der Ausbau des Fahrradtourismus, die Förderung des Umweltverbundes - Stichworte: Mobilitätskarte, Fahrradverleih, Fahrradstationen und einfache Mitnahmemöglichkeiten des Fahrrades - sowie die Finanzierung des Ausbaus der Infrastruktur. Natürlich haben wir auch ein für Hessen angepasstes Programm entwickelt, über das wir mit dem neuen Verkehrsminister, Tarek Al-Wazir, sprechen werden.

Wie sind überhaupt die Chancen für die Realisierung dieser politischen Ziele, wenn der ADFC als einzelner Verband dafür kämpft? Anders gefragt: Brauchen wir zur Durchsetzung dieser Ziele nicht starke Kooperationspartner?

Gemeinsam kämpft es sich immer leichter. Das war schon beim hessischen Waldgesetz so, wo wir hervorragend mit der Deutschen Initiative Mountain Bike und dem Hessischen Radsportverband zusammengearbeitet haben. Wir werden auf verschiedenen Ebenen für unterschiedliche Themen auch verschiedene Kooperationspartner benötigen und haben.

Werfen wir einen Blick auf die eigentliche Verbandsarbeit: Was funktioniert in Hessen besser als in anderen Landesverbänden oder im Bundesverband - und wo haben wir in Hessen Verbesserungsbedarf?

Stefan Janke - Foto: Torsten Willner

Wir haben in Hessen das Glück, dass die Bevölkerung eher noch zunimmt, während sie in anderen Regionen teilweise stark abnimmt. Zudem konnten in den letzten Jahren noch neue ADFC-Gliederungen in Hessen gegründet werden. Dennoch braucht man für den Erfolg gute Führungskräfte, Know-how und immer wieder "frisches Blut". Wir haben ein gutes und kompetentes Team aus Vorstand, Vorstandsbeauftragten, Geschäftsführer und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle sowie weiteren engagierten Leuten, die uns unterstützen. Das ist auch im ADFC nicht selbstverständlich. Die nächsten Herausforderungen werden die weitere Professionalisierung des Verbandes, die bessere interne Vernetzung, die noch transparentere Präsentation unserer Tätigkeiten und Vorhaben sowie die Ansprache neuer Zielgruppen sein.

Viele Organisationen haben Mühe, aus ihren Reihen genügend motivierte Aktive für ehrenamtliche Arbeit zu gewinnen. Das betrifft nicht nur den ADFC - es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Wo kann man ansetzen, welche neuen Impulse lassen sich setzen, um wieder mehr Leute für die Mitarbeit zu begeistern?

Noch sind wir in Hessen in der glücklichen Lage, immer wieder neue Leute für eine ehrenamtliche Mitarbeit im ADFC gewinnen zu können. Doch in der Tat wird dies wohl in den nächsten Jahren auch für uns schwieriger werden und darum werden wir schon jetzt unsere Segel nach dem zukünftigen Wind ausrichten. Mitgliedschaften im Verein werden durch Serviceleistungen attraktiver werden. Die Mithilfe im Verein wird ohne Mitgliedschaft einfach und niederschwellig möglich sein. Der ADFC wird sich noch besser, noch leidenschaftlicher und interessanter präsentieren müssen, um sich abzuheben und um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Hat der ADFC ein Problem bei der Altersstruktur seiner Mitglieder? Müssen gezielt mehr jüngere Menschen angesprochen werden - etwa durch Veranstaltungen wie die Frankfurter bike-night? Womit kann der ADFC besser bei Schülern, Studenten und Familien punkten?

Obwohl der ADFC noch vor 20 bis 30 Jahren zumeist aus Personen aus dem studentischen Milieu bestand, sind heute die meisten Mitglieder über 50. Einerseits wurde man gemeinsam älter, ohne dass entsprechend viele Jüngere nachkamen, andererseits kamen viele Leute in einem Alter hinzu, wenn die Kinder aus dem Haus sind bzw. das Rentenalter erreicht war. Der ADFC kann heute z. B. mit Tätigkeiten, die für die berufliche Weiterentwicklung förderlich sind, versuchen, jüngere Leute zur Mitarbeit zu gewinnen. Durch den demografischen Wandel wird es zwar nicht einfacher, die Altersstruktur prägnant zu ändern, aber auch bei den jungen Erwachsenen ist Radfahren populär - nur kennen sie den ADFC oft noch nicht. Und da werden wir gezielt ansetzen.

Wie muss die Öffentlichkeitsarbeit des ADFC Hessen weiterentwickelt werden, damit wir als starker, aktiver und ideenreicher Verband wahrgenommen werden?

Stefan Janke - Foto: Torsten Willner

Die Öffentlichkeitsarbeit muss immer den neuesten Trends folgen, aktuell, bewegt und interessant sein - ohne aber die bisherigen Kanäle zu vernachlässigen. Wir sind mit Facebook und Website seit 2011 schon auf einem sehr guten Weg, aber den Bereich Öffentlichkeitsarbeit werden wir noch weiter ausbauen müssen, um unseren Bekanntheitsgrad weiter massiv zu steigern. Wir haben zudem bislang viele Inhalte auf der Website "versteckt", doch das meiste sind Dinge, die wir gar nicht verheimlichen müssen, sondern die ganz offen gezeigt werden sollen, wie z.B. unseren Hessenkalender mit Fahrradterminen, Einladungen zu Veranstaltungen, etc. Die Besucher unserer Website sollen mehr an unserem Wirken und Handeln teilhaben dürfen. Weiter werden wir auch zusätzliche Wege der Öffentlichkeitsarbeit einschlagen und uns neuen Trends zukünftig schneller anschließen.

Für die einen ist der ADFC mehr eine radtouristische Organisation, andere sehen in ihm eher den verkehrspolitischen Verband. Könnte der ADFC eine stärkere Rolle spielen, wenn es gelänge, beide Bereiche besser miteinander zu verknüpfen?

Das Verkehrspolitische Programm des ADFC will ja genau das leisten. Dennoch sind es nicht nur verschiedene Bereiche, sondern auch verschiedene Typen von Radfahrern. Radtouristen und Radsportler auf dem MTB genießen die Wege abseits des Straßenverkehrs, Radsportler auf dem Rennrad haben wieder andere Interessen und Stadtradler ärgern sich über schlechte, zugeparkte Wege für den Radverkehr. Es gibt schon Anstrengungen, alle Seiten aufeinander zu zu bewegen, indem Tourenleiter auf ihren Touren die durchgesetzten Erleichterungen für Radfahrer ansteuern und vorstellen und die StVO Teil der Tourenleiterfortbildung ist. Zudem wird bei den touristischen Wegen wie den hessischen Radfernwegen stark darauf geachtet, dass die neuesten Erkenntnisse zum Radverkehr angewandt werden, wenn die Wege im Straßenverkehr geführt werden müssen.

Es fällt auf, dass Orts- und Kreisverbände innerhalb Hessens ganz unterschiedliche Voraussetzungen und Möglichkeiten haben bezüglich Mitgliederstärke, vorhandenem Know-how, Vernetzung etc. - was lässt sich tun, damit schwächere Gliederungen noch mehr von stärkeren profitieren können?

Die interne Vernetzung muss verbessert werden, eine gemeinsame Datenbank und mehr sind in Planung, um das vorhandene Know-how und positive und auch negative Erfahrungen anderen zugänglich zu machen. Natürlich ersetzt es nicht lokale "Anführer", ohne die nichts geht, aber es gibt positive Anregungen und damit Motivation. Begrüßenswert wäre es, wenn sich regionale oder gar landesweite Fachgruppen bilden würden. Gemeinsam zu agieren, ist immer motivierender.

Das traditionelle Forum des Erfahrungsaustauschs engagierter ADFCler aus Hessen ist das Landesaktiventreffen, das jedes Jahr Ende November stattfindet. Für das Jahr 2014 wurde der Arbeitstitel "Hessen-Forum" ausgerufen. Was lässt sich heute schon zum voraussichtlichen Konzept dieses Forums sagen?

Stefan Janke - Foto: Torsten Willner

Dass wir bereits am Freitagabend beginnen, wird rein äußerlich die auffälligste Änderung sein. Da wollen wir mit einem richtigen "Knaller" starten, der die Leute von den Stühlen haut. Und genauso soll es auch wieder am Ende sein, so dass alle hochmotiviert und inhaltlich bereichert das Forum verlassen werden. Der Namenswechsel soll aber auch deutlich machen, dass hier jede und jeder willkommen ist, die bzw. der sich im ADFC in Hessen engagieren will oder es bereits schon tut. Wir müssen viel mehr nach außen zeigen, was wir machen und auch noch anzeigen, dass wir immer offen sind für neue Gesichter und dass diese auch sehr willkommen sind. Ein Vorbereitungsteam hat schon seine Arbeit aufgenommen und einen erfreulichen Programmvorschlag zusammengestellt.

Eine letzte Frage: Wofür lohnt es sich, im ADFC Hessen engagiert zu sein?

Man ist Teil eines tollen Vereins, der sich in Hessen auf allen Ebenen erfolgreich engagiert. Hier kann man durchaus etwas bewegen. Die Kompetenz des Vereins ist allgemein anerkannt, der Verein hat ein positives Image, man trifft Gleichgesinnte, hat eine schöne Gemeinschaft und kann seine velophilen Vorlieben voll ausleben.

Lieber Stefan Janke, herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Norbert Sanden und Torsten Willner

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