ADFC Hessen: Nachrichten

14.09.2018

3. ADFC-Themenabend

Annäherungsversuche im Mischverkehr

"Wem gehört die Straße?" - ADFC und ADAC diskutierten miteinander

Fusionsverhandlungen waren hier wirklich nicht zu erwarten, wie Moderator Jürgen Schultheis in seiner Begrüßung ironisch bemerkte. Aber auch keine Prügelei. Je zwei Vertreter des ADAC Hessen-Thüringen und des ADFC Hessen sprachen und stritten Anfang September beim 3. ADFC-Themenabend im Frankfurter Fahrradladen "Parrots & Crows" darüber, wem denn nun die Straße gehöre. Das vorläufige Fazit des Abends: ADFC und ADAC können nicht nur über-, sondern auch miteinander reden. Vielleicht bewegen sie sich gar aufeinander zu. Vermutlich jedoch kaum schneller als im Schritttempo.

Der ADAC zu Gast beim ADFC-Themenabend - von links: Jürgen Lachner, Paul Fremer, Jürgen Schultheis, Wolfgang Herda, Stefan Janke.

Wohin wollen wir den Verkehr steuern?

Während für den Automobilclub Jürgen Lachner (Vorstandsmitglied für Verkehr, Umwelt und Technik) und Wolfgang Herda (Leiter Team Verkehr) ans Podium traten, war der ADFC mit Landesvorsitzendem Stefan Janke und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Paul Fremer vertreten. Moderator Jürgen Schultheis klopfte erst einmal sehr allgemein ab, in welche Richtung sich unser Verkehr in den kommenden Jahren entwickeln soll.

Die übereinstimmende Position der Verbände lautet, dass natürlich alle Verkehrsarten prinzipiell ihre Berechtigung haben, die Kapazität des - zudem jahrzehntelang vernachlässigten - ÖPNV stark limitiert ist und dass sich keiner mehr damit wohl fühlt, nur noch die Partikularinteressen der Benutzergruppe einer einzigen Fahrzeugart zu vertreten. Der ADAC gesteht zu, dass es für den Radverkehr in der Stadt mehr Platz geben sollte, der ADFC sieht ein, dass bei bestimmten Warenlieferungen und der Mobilität von Gehbehinderten das Auto kaum hundertprozentig wird ersetzt werden können. Das ist ja schon mal ein Anfang!

Verbieten ist irgendwie uncool

Zum Teil bestand sogar ein gewisser Konsens, wie ein angestrebtes Ziel - mehr Radverkehr in den Städten - erzielt werden könne. Nämlich indem die Attraktivität des Radfahrens gesteigert, potenzielle Nutzer durch erlebbaren Nutzen zu tatsächlichen Nutzern gemacht werden. Darin sieht auch der ADFC eine bessere Motivation, als mit Verboten vorzupreschen - siehe die Diskussion um Diesel-Fahrverbote. Der ADAC, zu dessen Markenkern immer noch der Kampf gegen ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen gehört, hat es ohnehin nicht so mit dem Verbieten. Das müsse doch auch anders gehen, meint Jürgen Lachner und berichtet von seinen Söhnen, die zum Studium in die Stadt gezogen sind und dort freiwillig vom Auto auf Rad und ÖPNV umgestiegen sind.

Das ist ein schönes Beispiel. Aber wird so die Verkehrswende - das Wort wird während der Diskussion von den ADAC-Vertretern nicht benutzt - so in Gang kommen? So richtig "wenden" möchte der ADAC den Verkehr wohl auch nicht, er strebt nicht weiter präzisierte "intelligente Lösungen" sowie eine "multimodale Mobilität" an, in der das Auto immer noch einen zentralen Platz hat - und denen, die es nutzen wollen, mehr oder weniger uneingeschränkt zur Verfügung steht.

Keinem Autofahrer soll wehgetan werden

Auch der ADAC möchte, dass es eine bessere Radinfrastruktur gibt. Allerdings möchte er sie am liebsten "neu gebaut" haben - auf einer grünen Wiese, so dass von vorhandenen Straßen nichts weggenommen werden muss. Dass das im innerstädtischen Bereich, wo die Flächenkonkurrenz frappant ist, nicht geht, weiß natürlich auch der ADAC. Aber sollen auch in der Innenstadt alle, die es wollen, immer noch mit dem Auto fahren können?

Streitpunkt ruhender Verkehr: Während für den ADFC ein wichtiges Mittel zur Verkehrswende die Reduktion der Parkplätze im städtischen Raum ist, um diesen wieder mehr mit menschlichem Leben zu füllen, wie es Stefan Janke erläutert, will Wolfgang Herda vom ADAC sie insbesondere von der Straße in Parkhäuser und Tiefgaragen verlegen. Zumindest fordert der ADAC nicht noch mehr Kfz-Parkplätze. Während der ADFC eine ehrlichere Preisgestaltung, sprich Verteuerung des Parkraums anstrebt, möchte der ADAC nicht, dass die Parktickets mehr Geld kosten sollen. Immerhin herrscht die Einsicht, dass kostenlose Parkplätze in großem Umfang in der Zukunft nicht mehr vorgehalten werden können.

Autofahren ist zu billig. Viel zu billig.

Immer wenn Paul Fremer vom ADFC vorschlägt, durch Preisgestaltung - also in dem man die Prinzipien des Marktes anwendet - eine lenkende Wirkung für einen ökologischeren Verkehr zu initiieren, tut sich der ADAC sofort hervor als Anwalt der sozial Schwachen, die nur ohne Citymaut und ohne hohe Parkgebühren die für sie existenziell wichtigen Wege zurücklegen könnten. Das Erschreckende ist, dass das teilweise sogar stimmt. Weil der Autoverkehr von versteckten Subventionen profitiert - und weil der ÖPNV, trotz offensichtlicher Subventionen, für viele immer noch zu teuer ist.

So ganz ohne limitierende Eingriffe - ob man sie Verbote nennen mag oder nicht - wird sich wenig verändern. Das war auch die vorherrschende Stimmung im Publikum im "Parrots & Crows". Was für den einzelnen ein Verbot ist, kann für die Allgemeinheit ein Angebot sein. Sogar ein ziemlich Attraktives: Etwa eine lebendigere Stadt mit weniger Autos. Am Ende nannte Jürgen Lachner eine Citymaut zumindest einen "Ansatz, den man weiter verfolgen kann." Es bleibt spannend.


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