ADFC Hessen: Nachrichten

15.01.2021

Bedürfnisorientierte Radnetze

Das Land Hessen will die Rad-Infrastruktur gemäß den Sicherheitsbedürfnissen unterschiedlicher Zielgruppen weiterentwickeln

Abbildung 1 - Die Netze und ihre Infrastrukturanforderung sind durch die unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnisse der Nutzergruppen definiert: Die niedrigste Schwelle weist das Schulnetz auf, gefolgt vom Radnetz. Beim Radzusatznetz ist die Schwelle am höchsten.

Nicht nur wegen der verstärkten Fahrradnutzung durch die Corona-Pandemie ist offensichtlich, dass das Radnetz in Hessen modernisiert, weiterentwickelt und ausgebaut werden muss. Dazu hat Verkehrsminister Tarek Al-Wazir eine neue Planungshilfe vorgestellt, die Planerinnen und Planer beim Ausbau des Radnetzes mit Qualitätsstandards und Musterlösungen unterstützen soll und dabei insbesondere auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Radlerinnen und Radler zielt.

"Wir wollen gemeinsam mit Kreisen, Städten und Gemeinden ein Radnetz aufbauen, auf dem Kinder und Jugendliche oder Menschen mit wenig Fahrpraxis sicher sind und sich auch sicher fühlen", sagte Al-Wazir. "Es ist eigentlich ganz klar, dass die Anforderungen der Radfahrerinnen und Radfahrer unterschiedlich sind - aber die bundesweiten Regelwerke greifen das bisher nicht auf. Wir haben deshalb in Hessen die Einsatzbereiche für die unterschiedlichen Teile des Radnetzes, wie baulich getrennte Radwege, Fahrradstraßen oder Fahrradstreifen, an den unterschiedlichen Nutzergruppen ausgerichtet. So gelten zukünftig für die Verbindungen zur Schule höhere Anforderungen als für andere Verbindungen des Alltagsverkehrs."

Nicht mehr alle Nutzungsgruppen "über einen Kamm scheren"

Die neuen Qualitätsanforderungen für das Radnetz Hessen gelten für die von Hessen Mobil umgesetzten Projekte an Bundes- bzw. Landesstraßen und unterstützen Kreise, Städte und Gemeinden dabei, eine hochwertige Infrastruktur für den Radverkehr vor Ort zu schaffen. Die Einsatzbereiche der unterschiedlichen Führungsformen (baulich getrennte Radwege, Fahrradstreifen, Fahrradstraßen, Fahrradzonen, Tempo-30-Zonen) werden dabei abhängig vom jeweiligen Netz (Schulnetz, Radnetz, Radzusatznetz) und den darauf zu erwartenden Radlerinnen und Radlern definiert.

Abbildung 2: Die vertikale Achse zeigt die Kfz-Belastung in der Spitzenstunde, die horizontale Achse die Fahrgeschwindigkeit des Kfz-Verkehrs. Bei Kfz-Verkehr mit zulässigen Geschwindigkeiten von 30 bis 50 km/h ist im "Schulnetz" die bauliche Separierung der Regelfall.

Je nach Geschwindigkeiten und Anzahl der Kraftfahrzeuge an einer Straße wird für den Radverkehr eine bestimmte Führungsform empfohlen. Die niedrigste Schwelle für eine Separierung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr weist das Schulnetz auf, gefolgt vom Radnetz. Beim Radzusatznetz ist die Schwelle am höchsten. Ziel dieses Ansatzes ist es, die objektive Sicherheit ebenso wie das Sicherheitsempfinden zu berücksichtigen. Ein ähnliches "Eskalationskonzept" findet sich für jedes der Netze für den querenden Verkehr: Je mehr Kfz auf der Straße fahren und je schneller sie es tun, desto größer der Bedarf nach einer Querungshilfe.

Abbildung 3 - Je mehr Kfz auf der Straße fahren und je schneller sie es tun, desto größer der Bedarf für eine Querungshilfe.

Für den Fall, dass sich die unterschiedlichen Netze überlagern, soll sich die Planung jeweils nach der Nutzergruppe mit den höheren Sicherheitsanforderungen (z.B. bei einer Überlagerung von "Schulnetz" und "Radnetz" hat das "Schulnetz" die höheren Anforderungen) richten. Neu aufgenommen in die Sammlung wurden außerdem Musterlösungen für den Wechsel von Führungsformen, etwa am Ende eines Radweges oder eines Fahrradstreifens. Außerdem werden Musterlösungen für die Freigabe von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung bereitgestellt.

Mittel zur Umsetzung stehen für die Kommunen bereit

Bei der Umsetzung soll es laut Verkehrsminister Al-Wazir nicht am Geld scheitern: "2020 bis 2024 stehen rund 244 Millionen Euro zur Verfügung, die durch das Sonderprogramm "Stadt und Land" des Bundes für Hessen voraussichtlich noch um weitere 43 Millionen Euro verstärkt werden können", erläuterte Al-Wazir: "Durch die neue Planungshilfe wollen wir sicherstellen, dass die Mittel so gut wie möglich eingesetzt werden."

ADFC-Landesgeschäftsführer Norbert Sanden zur erweiterten Sammlung der Musterlösungen der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH): "Die AGNH entwickelt sich weiterhin sehr gut. Ein wichtiges Beispiel dafür sind die Musterlösungen für qualitativ hochwertige Radverkehrsanlagen. Das Handbuch mit Musterlösungen kann zu einem Vorbild für andere Bundesländer werden. Wir begrüßen den Ansatz, dass für Radverbindungen, die besonders von Schülerinnen und Schülern genutzt werden, höhere Anforderungen gelten sollen. Es ist richtig, die Infrastruktur an den Sicherheitserfordernissen der 'schwächsten' Verkehrsteilnehmenden auszurichten. Mehr Sicherheit im Verkehr wünschen sich natürlich alle Radfahrenden: Wo immer möglich, sollte der Radverkehr deshalb auf breiten Radwegen mit genügend Abstand zu Kfz-Spuren geführt werden. Die Musterlösungen zeigen, wie das gehen kann. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen diese Handreichung aufgreifen und dass Kommunen, die es noch nicht sind, Mitglied der AGNH werden."

Der ADFC Hessen gehört zu den Initiatoren der AGNH und arbeitet in deren Lenkungskreis mit.

Die neuen Musterlösungen und Qualitätsstandards sind hier abrufbar.



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