ADFC Hessen: Nachrichten

25.07.2022

Fünf Fragen an Sofrony Riedmann

Seit Juli 2022 hat der ADFC Hessen einen neuen Geschäftsführer: Sofrony Riedmann ist der Nachfolger von Norbert Sanden, der in diesem Sommer in den Ruhestand geht. Eine erste Gelegenheit, Sofrony Riedmann kennenzulernen, bietet dieses Interview.

Wie können wir uns die Person Sofrony Riedmann vorstellen?

Sofrony RiedmannSofrony Riedmann

Das ist wirklich eine sehr schwere Frage! Ich bin nicht in Hessen, sondern in Schwerin aufgewachsen, habe dann in Erlangen, Tübingen und in Schweden Geographie studiert, auch mal in Lohr am Main gewohnt und lebe jetzt seit gut fünf Jahren in Frankfurt. Was dabei schon immer einen roten Faden darstellt hat, ist, dass ich mich eigentlich immer für ökologische und soziale Fragen interessiert und auch engagiert habe. Es ging eigentlich als Schüler los, als ich eine Demo gegen den damaligen Irakkrieg mitorganisiert habe. Während des Studiums ging es viel um Atomkraft, Klimaschutz, Studiengebühren. In den letzten Jahren habe ich mich in Frankfurt auch für bezahlbares Wohnen engagiert. Verkehrsthemen spielten immer auch eine wichtige Rolle, vor allem im Studium selbst, aber auch beim VCD habe ich mal gearbeitet. Engagement ist mir also wichtig. Außerdem ist mir wichtig, viel Zeit mit meinen drei Kindern verbringen zu können, die im Kita- und Grundschulalter sind. Fahrrad fahren wir da durchaus auch viel. Und dabei habe ich, glaube ich, inzwischen auch ganz gut gelernt, unsere Städte mit den Augen der schwächsten Verkehrsteilnehmer zu sehen, auch wenn ich persönlich eher zum Typus des unerschrockenen Radfahrers zähle. Als letztes würde ich noch sagen, dass es auf jeden Fall immer mein Anspruch ist, allen Menschen mit Wertschätzung zu begegnen - ich hoffe sehr, dass das möglichst häufig auch gelingt!

Was hat Dich besonders motiviert, Geschäftsführer des ADFC Hessen zu werden?

Auf der einen Seite motiviert mich - und da geht es mir wohl wie vielen Menschen - der enorme Veränderungsbedarf unseres autozentrierten Verkehrssystems. Da geht es zum einen um den Klimaschutz, wo der Verkehrssektor einfach nicht vorankommt, zum anderen aber auch um die Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern. Viele Menschen sind damit einfach nicht mehr zufrieden und fordern eine Verkehrswende weg vom Auto, hin zu mehr Platz für Mensch und Natur und weniger Lärm. So geht es auch mir. Die nächsten 10 Jahre werden, glaube ich, dafür entscheidend sein. Die Autoindustrie arbeitet mit Hochdruck daran, massentaugliche Elektroautos zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, damit es eben keine Verkehrswende, sondern nur eine Antriebswende gibt. Teile der Politik unterstützen das leider noch immer und wollen z.B. das Autobahnnetz ausbauen, was schlichtweg sinnlos ist, wenn man wirklich eine Verkehrswende will.

Auf der einen Seite motiviert mich also schon dieser große Handlungsdruck, auf der anderen Seite aber auch die enorme Veränderungsbereitschaft in der Gesellschaft, die ja auf ganz vielfältige Weise zum Ausdruck kommt: Dazu zählen die zahlreichen Radentscheide in ganz Deutschland, die vielfältigen Aktionen und Proteste, z.B. zur IAA, die Begeisterung für das 9-Euro-Ticket, aber auch die immer weiter steigenden Verkaufszahlen für E-Bikes. Es treten auch immer mehr Menschen in den ADFC ein, der ja überall kräftig mitmischt. Zu sehen, dass die Zustimmung zu einer sozialen und ökologischen Verkehrswende groß ist und immer weiterwächst, das motiviert natürlich sehr.

Was sind die drei wichtigsten Ziele der kommenden Jahre?

Hessen ist groß, hat 21 Landkreise und 5 kreisfreie Städte und es gibt zum Glück praktisch überall ADFC-Aktive, die sich fürs Fahrrad engagieren. Mein Ziel ist es, viel aus Frankfurt raus und mit den ADFC-Aktiven vor Ort in Kontakt zu kommen und ihre tolle Arbeit kennen zu lernen. Was läuft gut, wo drückt noch der Schuh und wie können die Landesgeschäftsstelle und der Landesvorstand vielleicht unterstützen? Dieser Kontakt ist für mich sehr wichtig und ich freue mich über auch über Einladungen zur Jahresversammlung oder zu anderen wichtigen Events. Das wäre Ziel Nummer 1!

Als zweites scheint mir für den ADFC Hessen insgesamt wichtig, dass wir die Initiative für ein Verkehrswende-Volksbegehren, das wir zusammen mit dem VCD und dem Fuss e.V. auf den Weg gebracht haben, zu einem politischen Erfolg führen. Wir haben im April auf der Landesversammlung in einem Leitantrag entschieden, dass wir die Umsetzung einer sozialen und ökologischen Verkehrswende vehementer und ungeduldiger vorantreiben und einfordern wollen. Das ist ohne Zweifel nötig und die Volksbegehren-Initiative ist dafür ein ganz konkreter und wichtiger Schritt. Am 28.8. übergeben wir die Unterschriften in Wiesbaden an den Verkehrsminister und organisieren dafür eine Fahrrad-Sternfahrt über die Autobahn. Ich hoffe, alle markieren sich dieses Datum dick im Kalender!

Drittens ist mir wichtig, dass wir weiter eine Willkommenskultur im ADFC pflegen und noch weiter ausbauen. Wie schon gesagt, wünschen sich viele Menschen schnelle Veränderungen hin zu einer Verkehrswende und schauen sich vielleicht auch danach um, wo sie sich einbringen können. Als ADFC sollten wir immer ausstrahlen, dass wir offen für Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen sind, aber auch für neue Ideen und Aktionsformen sowohl vor Ort in den Gliederungen als auch auf Ebene des Landesverbandes.

Wo wirst Du versuchen, neue Impulse zu setzen?

Zunächst mal muss einfach gesagt werden, dass der ADFC Hessen ein über viele Jahre sehr gut geführter Verband ist, indem sich wahnsinnig viele Menschen auf überaus tolle Weise einbringen. Die Mitgliederzahlen steigen ja nicht zufällig seit Jahren und das Ansehen des ADFC in der Öffentlichkeit ist groß. Im April wurden aber auf der Landesversammlung zwei Leitanträge beschlossen, die aus meiner Sicht wesentliche Herausforderungen für die Zukunft sehr klar benennen.

Zum Beispiel dürfen wir als ADFC gerne noch etwas vielfältiger werden. Dabei ist es z.B. ausdrücklich kein Problem, dass sich viele Menschen im Rentenalter bei uns engagieren. Im Gegenteil, das ist ganz, ganz toll und das sollten wir beibehalten. Aber eine etwas buntere Mischung, die vor allem auch unterschiedliche Lebenslagen abbildet, das würde uns sicher guttun. Die angesprochene Willkommenskultur ist dafür sehr wichtig.

Zweitens sollten und müssen wir mit vielen Partner:innen aus der Zivilgesellschaft die Verkehrswende noch etwas lauter einfordern, denn es geht einfach zu langsam voran, um allein dem Klimaschutz gerecht zu werden.

Und drittens, und das ist mir sehr wichtig, sollten wir noch stärker betonen, dass die Verkehrswende nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage ist. Mobilität ist schließlich entscheidend für die soziale Teilhabe, auf die jeder Mensch ein Recht hat. Das autozentrierte Verkehrssystem, das wir haben, schließt jedoch viele Menschen aus, z.B. weil sie zu jung sind um Auto zu fahren, weil sie Einschränkungen haben, wegen derer sie kein Auto fahren können oder natürlich, weil sie sich Autofahren nicht leisten können. Und all diese Menschen sind in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft stark eingeschränkt, solange der Umweltverbund keine vollwertige Alternative zum Auto darstellt.

Diese Ziele unterstütze ich aus voller Überzeugung und möchte natürlich so viele Impulse wie möglich setzen, um dabei voranzukommen.

Was wird beim ADFC Hessen aber auf jeden Fall so bleiben, wie wir es kennen?

Wie der ADFC durch sein Engagement für den Radtourismus und durch sein umfangreiches eigenes Tourenprogramm das Kulturgut "Radtour" pflegt und fördert, finde ich wunderbar. Das Tourenfahren ist so alt wie das Fahrrad selbst und es erlebt seit einiger Zeit eine beeindruckende, neuerliche Renaissance. Das ist wunderbar und als ADFC sollten wir uns unbedingt weiter dafür engagieren und die Radtour auch ganz praktisch als Teil unserer Verbandskultur pflegen und immer weiterentwickeln. Auch dabei versuche ich gerne nach Kräften mitzuhelfen.

Und zu guter Letzt sollte es in der Landesgeschäftsstelle weiterhin stets Kekse und guten Kaffee geben!

Ja, so etwas ist sicher nicht zu unterschätzen. Vielen Dank für das offene Gespräch und einen erfolgreichen Start!


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