Frankfurt am Main, 9. April 2019

Pressemitteilung zum ADFC-Fahrradklima-Test 2018 in Hessen


Falschparker verderben das Fahrradklima

Baunatal erneut vorn, Bad Homburg rutscht auf den letzten Platz / Wiesbaden und Offenbach verbessern sich, Frankfurt schlechter bewertet / Rekordbeteiligung: 71 hessische Kommunen in der Wertung

Obwohl immer mehr Menschen mit dem Fahrrad mobil sein möchten, trübt sich das Fahrradklima ein. Die Kritik der Rad Fahrenden zielt vor allem auf zu enge, nicht durchgängig befahrbare und häufig von Autos zugeparkte Radwege. Daneben gibt es auch Lichtblicke: So schneidet Baunatal mit der Note 2,67 nicht nur als insgesamt beste hessische Stadt ab, die nordhessische Kommune belegt auch bundesweit den ersten Platz in ihrer Stadtgrößenklasse. Offenbach und Wiesbaden gelingt es, eine deutlich bessere Note zu erhalten, sie sind heute in Berlin im Bundesverkehrsministerium als bundesweit beste "Aufholer" ausgezeichnet worden. Trotzdem liegt Wiesbaden in Hessen nur auf dem vorletzten Platz hinter dem neuen Schlusslicht Bad Homburg v.d.H. Die Resultate der hessischen Kommunen stellte der ADFC Hessen zeitgleich in Frankfurt am Main vor.

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine Befragung von Rad Fahrenden, das wichtigste Stimmungsbarometer zur Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte und Gemeinden. Im Herbst 2018 haben sich rund 170.000 Menschen bundesweit daran beteiligt, 12.700 davon in Hessen, eine Steigerung um 23 Prozent gegenüber 2016. Bundesweit wurden 683 Städte und Gemeinden in verschiedenen Größenklassen bewertet. 71 davon liegen in Hessen.

Wichtigster Befund: Allgemein trübt sich das Fahrradklima in Hessen ein. In der Tendenz werden schlechtere Noten vergeben als noch vor zwei Jahren. Nur sieben Kommunen ist es gelungen, ihren Notenwert leicht zu verbessern, dagegen haben sich elf leicht verschlechtert, zehn sogar deutlich verschlechtert.

"Die steigenden Zahlen bei Teilnehmern und Städten in der Wertung zeigen klar: Immer mehr Menschen wollen für ihre Mobilität das Rad als Verkehrsmittel wählen. Gleichzeitig zeigen die Noten, dass sich viele unbehaglich im Straßenverkehr fühlen", erklärt Stefan Janke, Vorsitzender des ADFC Hessen. "Die Erwartungen der Radfahrenden an eine sichere Infrastruktur steigen. Mit schmalen, holprigen Bordsteinradwegen oder zugeparkten Schutzstreifen gibt sich heute niemand mehr zufrieden. Wo Verbesserungen eingeleitet wurden, sind Tempo und Umfang der Maßnahmen noch viel zu gering", so Janke weiter.

Norbert Sanden, Geschäftsführer des ADFC Hessen, ergänzt: "In den Kommunen gibt es durchaus Anstrengungen, etwas für den Radverkehr zu tun. Allerdings wird die Kluft zwischen diesen Leistungen und den Erwartungen der Bürger immer größer. Das machen die ernüchternden Ergebnisse des Fahrradklima-Tests anschaulich."

Ergebnisse im Einzelnen - Lichtblicke in Baunatal, Wiesbaden und Offenbach

Über alle Städtegrößenklassen hinweg sind die drei am besten bewerteten Kommunen in Hessen: Baunatal (Durchschnittsnote 2,67), Kriftel (3,09) und Mörfelden-Walldorf (3,17) - im Vergleich zur vorhergehenden Befragung tauschen Kriftel und Mörfelden-Walldorf die Plätze, Baunatal verteidigt seine Spitzenposition und belegt auch bundesweit den ersten Platz der Städte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern. "Baunatal tut seit Jahren viel für den Radverkehr, es gibt gute Abstellmöglichkeiten und Leuchtturmprojekte wie die neue Unterführung für die Raddirektverbindung nach Kassel", sagt Robert Wöhler, stellvertretender Vorsitzender des ADFC Hessen.

Die am schlechtesten bewerteten hessischen Kommunen über alle Größenklassen sind Bad Homburg v.d.H. (4,54), Wiesbaden (4,42) und Kelsterbach (4,39). Etwas paradox: Mit der Verbesserung um 0,19 Notenpunkte ist Wiesbaden bundesweit die beste Aufholerstadt aller Städte zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern. In der hessischen Rangliste ist die Landeshauptstadt erstmals seit 2012 nicht mehr Schlusslicht. "Seit dem letzten Fahrradklima-Test hat sich einiges getan in Wiesbaden, unter anderem die Einrichtung von fünf geschützten Radstreifen im Rahmen eines Pilotprojekts, das kann aber erst der Anfang sein", erklärt Günni Langer vom ADFC Wiesbaden.

Die größte Notenverbesserung seit der letzten Befragung in Hessen gelang Karben (Verbesserung um 0,27 Notenpunkte), Dreieich (0,23) und Limburg an der Lahn (0,21). Die Verbesserung um 0,14 Notenpunkte genügte für Offenbach, um in der Kategorie der Städte zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern bundesweit beste Aufholerstadt zu werden: "Bis zum Jahr 2021 entstehen neun Kilometer Fahrradstraßen und -achsen in und um Offenbach. Zudem werden die Radwege am Mainufer verbessert und eine Fahrradzählstelle macht den Radverkehr sichtbar", erläutert Ulrich Lemke, Projektmanager von Bike Offenbach.

Schwaches Abschneiden der "Radentscheid"-Städte Frankfurt, Darmstadt, Kassel

Auf drei hessischen Städten lag wegen der 2018 eingeleiteten Bürgerbegehren für einen Radentscheid besonderes Augenmerk. Frankfurt verschlechtert sich leicht auf 3,94 (2016: 3,77). Hessens größte Stadt bleibt bundesweit auf dem vierten Platz bei Städten über 0,5 Millionen Einwohnern, hinter Bremen, Hannover und Leipzig. Positiv punktet Frankfurt mit vielen geöffneten Einbahnstraßen (Note 1,9). "Für die Breite der Radwege erhält Frankfurt die sehr schlechte Note 4,9. Massivstes Problem sind mit der Einzelnote 5,3 aber die Falschparker. An das Thema muss die Stadt endlich ran!" fordert Dr. Susanne Neumann vom ADFC Frankfurt. Im hessenweiten Ranking kommt Frankfurt auf Platz 44 (von 71). Darmstadt belegt mit der Note 3,8 (Verschlechterung um 0,12 Notenpunkte) Platz 34. Kassel kommt mit der Note 4,18 nur auf Platz 57 und verschlechtert sich um 0,3 Notenpunkte.

Klar verschlechtert gegenüber der Befragung vor zwei Jahren haben sich Obertshausen (Notenabsenkung um 0,55), Schwalbach am Taunus (0,54) und Hanau (0,53), das vor zwei Jahren noch zu den ausgezeichneten Aufholerstädten gehörte.

Nur bedingt familienfreundlich

Beim Fahrradklima-Test 2018 wurde auch die Familienfreundlichkeit der Städte erfragt. Dabei gibt es große Defizite: Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad zur Schule fahren lassen, haben dabei oft kein gutes Gefühl. Familienfreundlichste Stadt in Hessen ist Baunatal (Note 2,86). Auf durchaus befriedigende Noten kommen noch Friedrichsdorf (3,33), Mörfelden-Walldorf und Kriftel (je 3,34) sowie Dreieich (3,36). Das Schlusslicht hessischer Städte bildet Wiesbaden mit mangelhaften 5,11.

Bundesweit artikuliert sich das Unbehagen der Radfahrenden vor allem im Mischverkehr: 81 Prozent aller Befragten (bei Frauen sogar 86 Prozent) finden eine getrennte Führung von Rad- und Autoverkehr wichtig. Weitgehend unabhängig von Stadtgröße und Region wird der zu lasche Umgang mit Falschparkern am meisten bemängelt: "Falschparker gefährden den Verkehr und verstärken das Gefühl der Unsicherheit beim Radfahren. Kommunen könnten dagegen leicht einschreiten, indem die Kontrollen stark ausgebaut werden. Das kostet nichts, es schafft sogar mehr Einnahmen. Der Gesetzgeber müsste die Bußgelder stark anheben, wie es in anderen europäischen Ländern üblich ist", fordert ADFC-Landesvorsitzender Janke.

Sicherheit durch mehr Abstand und weniger Falschparker!

Den Wunsch nach besserer Trennung zwischen Rad- und Autoverkehr sieht der ADFC Hessen als klares Indiz dafür, dass sich der motorisierte Verkehr beim Überholen von Radfahrenden vielfach nicht an den gebotenen seitlichen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern hält: "Eine Kampagne des Landes Hessen, die den Autoverkehr an die Einhaltung des seitlichen Überholabstands erinnert, wäre ein wirksamer Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit", so Janke. Wo dies sinnvoll realisierbar und mit einer Zunahme der objektiven Sicherheit verbunden ist, sollten Kommunen auch geschützte Fahrradstreifen einrichten.

Zur praktischen Radverkehrsförderung in den Kommunen gibt es seit 2016 die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH). Von den 71 hessischen Städten in der Auswertung schneiden allerdings die 56 Städte, die Mitglieder der AGNH sind, nicht signifikant besser ab als andere. "Der Beitritt zur AGNH ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Städte und Gemeinden müssen die Unterstützung der AGNH aber auch in Anspruch nehmen wollen und selbst aktiv werden. In jedem Fall müssen vor Ort konkrete, sichtbare, erfahrbare Maßnahmen realisiert werden und zwar nicht im gemächlichen Tempo der letzten Jahre, sondern schnell. Angesagt ist Beschleunigung", sagt Landesgeschäftsführer Norbert Sanden.

ADFC fordert #MehrPlatzFürsRad

Um die im Fahrradklima-Test deutlich gewordene Kritik in greifbare Forderungen zu übersetzen, startet der ADFC in diesen Tagen die bundesweite Aktionskampagne #MehrPlatzFürsRad. In Hessen beginnt der ADFC in diesen Wochen gemeinsam mit Partnern einen landesweiten Rad- bzw. Mobilitätsentscheid vorzubereiten.


Zur tabellarischen Übersicht über die Ergebnisse hessischer Städte beim ADFC-Fahrradklima-Test 2018.


Weitere Informationen zum Hintergrund des ADFC-Fahrradklima-Test 2018

Der Fahrradklima-Test ist eine nicht repräsentative Befragung von ADFC und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, an der sich im Herbst 2018 insgesamt 170.000 Menschen bundesweit beteiligt haben. Dabei wurden 683 Städte in sechs verschiedenen Größenklassen (> 0,5 Mio. EW / 200.000-500.000 EW / 100.000-200.000 EW / 50.000-100.000 EW/ 20.000-50.000 EW / unterhalb 20.000 EW) bewertet. Die Umfrage wurde insgesamt zum 8. Mal durchgeführt. Die letzten Erhebungen gab es 2016, 2014 und 2012. Die Umfrageteilnehmer sind überwiegend auch gleichzeitig Autofahrer: 94 Prozent haben einen Führerschein, 75 Prozent steht ein Auto zur Verfügung. 85 Prozent der Teilnehmer sind nicht ADFC-Mitglied.

Über den ADFC Hessen

Dem 1986 gegründeten ADFC Hessen gehören rund 16.000 Mitglieder an. Der Landesverband vertritt die Interessen der Rad Fahrenden in Hessen gegenüber der Landespolitik, gehört dem Lenkungskreis der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität in Hessen an und betreibt darüber hinaus vielfältige Aktivitäten: So unterstützt der ADFC Hessen das Land bei der Wegweisung der Hessischen Radfernwege, berät Unternehmen und Kommunen, die fahrradfreundlich werden wollen (bike + business), zertifiziert fahrradfreundliche Unterkünfte (Bett+Bike) und bietet Radfahrkurse für Erwachsene an. In nahezu jedem hessischen Landkreis gibt es einen Kreisverband, in vielen Kommunen auch örtliche ADFC-Gliederungen. Dort kümmern sich die Aktiven um Belange des Radverkehrs, organisieren Radtouren und bieten verschiedene Serviceleistungen wie Fahrradcodierungen an.

Pressekontakt ADFC Hessen e.V.:
Norbert Sanden
Löwengasse 27A
60385 Frankfurt am Main
Tel.: 069 9563460 - 41
Fax: 069 9563460 - 43

E-Mail:
www.adfc-hessen.de

Hier geht's zum Archiv

Besuchen Sie uns auch auf

Logo

Dem Fahrradklau vorbeugen:

Logo

Helfen Sie, Mängel zu orten:

Logo
Logo

Bett+Bike-Unterkünfte finden:

Logo
Logo

© ADFC 2010