Fahrradland Hessen beschleunigt umsetzen
Die Forderungen des ADFC Hessen zur Landtagswahl 2023
Die Landesversammlung des ADFC Hessen fordert von der künftigen hessischen Landesregierung eine erhebliche Beschleunigung der Verkehrswende, in deren Zentrum das Fahrrad stehen muss.
Der ADFC Hessen stellt fest, dass die bisherigen politischen Anstrengungen für eine Verkehrswende bei weitem nicht ausreichen. So werden in Hessen – obwohl nur ca. 11 % der Landesstraßen über einen Radweg verfügen – jährlich nur wenige Kilometer zusätzlich errichtet. Darüber hinaus werden über die Nahmobilitätsrichtlinie zwar jährlich ca. 100 Maßnahmen der hessischen Gemeinden vom Land gefördert. Bei über 400 Gemeinden entspricht dies durchschnittlich jedoch pro Gemeinde lediglich einer Maßnahme alle vier Jahre. Der fahrradfreundliche Umbau der autozentrierten Infrastruktur würde beim jetzigen Tempo noch viele, viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Der ADFC Hessen stellt fest, dass das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans, der eine Verdopplung der Radverkehrsleistung bis 2030 vorsieht, mit dem aktuellen Tempo des Infrastrukturumbaus ebenso wenig erreicht werden kann wie die Klimaschutzziele im Verkehrssektor.
Nachdem im Jahr 2022 die Emissionen dieses Sektors erneut gestiegen sind, ist nun in 8 Jahren (bis 2030) eine Reduktion der jährlichen Emissionen um über 44 % nötig2 um die Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes einzuhalten.
Der ADFC Hessen stellt fest, dass auch die Vision Zero – null Verkehrstote und Schwerverletzte im Straßenverkehr – eine deutliche Beschleunigung des Infrastrukturausbaus erfordert. Dieser Infrastrukturumbau ist, insbesondere in den Verdichtungsräumen, ohne eine erhebliche Flächenumverteilung zulasten des fließenden und ruhenden KFZ-Verkehrs und zugunsten des Umweltverbundes nicht möglich.
Der ADFC Hessen sieht in der Verkehrswende große Potenziale für die Gesundheits- und Bewegungsförderung. Neben den erheblichen gesundheitlichen Schäden durch die Luftschadstoffemissionen des Autoverkehrs, die es zu reduzieren gilt, liegen im Fuß- und Radverkehr große Potentiale für die Bekämpfung des Bewegungsmangels und dessen gravierender gesundheitlicher Folgen. Auch angesichts der großen demographischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte wäre es ein großes politisches Versäumnis, wenn der Radverkehr nicht als einfache und kostengünstige Möglichkeit der Gesundheitsförderung genutzt würde.
Der ADFC Hessen betont die erheblichen Arbeitsplatzpotentiale in Industrie, Handel, Werkstätten, Beherbergung, Gastronomie und vielen weiteren Dienstleistungsbereichen, die im Wachstum des Radverkehrs in Freizeit und Alltag liegen.
Neben der Verabschiedung des Verkehrswendegesetzes der Initiative „Verkehrswende Hessen“ fordert der ADFC Hessen von der künftigen Landesregierung folgende Maßnahmen und Initiativen. Der ADFC Hessen wird alle politisch Verantwortlichen an ihren Taten für die Schaffung des Fahrradlandes Hessen messen.
- „Vision Zero“
Hessen setzt die „Vision Zero“ aktiv um. Dazu wird erstens die Landespolizei per Erlass angewiesen, im Sinne ihrer Gefahrenabwehrfunktion Gefährdungen, die vom fließenden und ruhenden Verkehr ausgehen, konsequent zu ahnden und zu unterbinden. Die Landespolizei und kommunale Ordnungsbehörden werden für diese Aufgabe hinreichend ausgestattet und qualifiziert. Zweitens werden Sicherheitsaudits im Bestand bei allen Erhaltungsmaßnahmen, Markierungserneuerungen und grundhaften Erneuerungen von Straßen verbindlich durchgeführt. Drittens muss
die Arbeit der Unfallkommissionen konsequent auf die Vision Zero ausgerichtet werden. Die Unfallkommissionen müssen nach jedem Unfall mit schwerem Personenschaden Maßnahmen zur
Beseitigung unfallbegünstigender Ursachen erarbeiten, die durch die zuständigen Behörden umzusetzen sind. Viertens muss die Regelkenntnis der Verkehrsteilnehmenden durch gezielte
Öffentlichkeitsarbeit und weitere Maßnahmen gesteigert werden.
- Rad-Hauptnetz Hessen
Das landesweite Rad-Hauptnetz muss bis spätestens 2033 durchgängig in hoher Qualität befahrbar sein. Das Land muss dafür die Verantwortung übernehmen und einen verbindlichen, mit den Kommunen abgestimmten, Finanzierungs- und Umsetzungsplan vorlegen. Mit einem Sonderinfrastrukturprogramm sichert das Land die Finanzierung der Fertigstellung.
- Radwege an Landesstraßen
Bei Hessen Mobil wird zusätzlich Personal für die Planung von Radverkehrsanlagen und die Beratung und Unterstützung der Kommunen geschaffen, um den Radverkehrsausbau erheblich zu beschleunigen. Zu Ende der Legislaturperiode müssen jährlich 100 Kilometer zusätzlicher Radwege an Landesstraßen fertiggestellt werden.
- Mehr Geld fürs Rad
In Hessen müssen – gemäß den Zielen des Nationalen Radverkehrsplans – jährlich 30 EUR je Einwohner:in (ca. 189 Mio. EUR) in die Fahrradinfrastruktur investiert werden. In Ergänzung der Mittel von Kommunen und Bund investiert das Land hierzu mind. ca. 120 Mio. EUR pro Jahr aus dem Landeshaushalt. Die Landesförderung muss die Bedürfnisse kleiner und finanzschwacher Gemeinden noch stärker berücksichtigen.
Neben diesen Hauptforderungen sieht der ADFC Hessen für die Umsetzung einer sozialen und ökologischen Verkehrswende mit dem Fahrrad weiteren dringenden Handlungsbedarf:
- Das Hessische Straßengesetz muss im Sinne einer erheblichen Beschleunigung des Radverkehrsausbaus reformiert werden. Die Planungszeiten für die Errichtung von Radwegen an Landes- und Bundesstraßen muss erheblich reduziert werden. Radschnellwege und Raddirektverbindungen sollen in die Baulast des Landes übernommen werden.
- Die hessische Landesregierung startet eine Bundesratsinitiative für die Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes im Sinne des Klimaschutzes, der Verkehrssicherheit und der Flächenumverteilung zugunsten der Nahmobilität, sollte der Bundesgesetzgeber nicht selbst aktiv werden. Vorbild sollte der Entwurf eines „Gute-Straßenfür-alle-Gesetzes“ des ADFC sein. Hessen unterstützt aktiv eine etwaige Inititative des Bundesgesetzgebers.
- In Hessen fehlen qualifizierte Fachkräfte für die Planung und den Bau von Radverkehrsanlagen. Um dem Fachkräftemangel bei Land und Kommunen zu begegnen, schafft das Land umfangreiche zusätzliche Aus- und Weiterbildungskapazitäten (z.B. durch Duale Studiengänge) und Quereinstiegsmöglichkeiten. Für Fachkräfte, die bisher als Planer:innen oder Ingenieur:innen für den Ausbau des Straßennetzes eingesetzt werden, sollen attraktive, berufsintegrierte Qualifizierungsmöglichkeiten im Bereich Radverkehrsplanungen geschaffen werden. Die Qualifizierung und Beschäftigung von Frauen in diesem Berufsfeld ist besonders zu fördern.
- Hessen setzt sich aktiv für ein Moratorium für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen ein. Dadurch können Finanzmittel und Kapazitäten in Planung und Bauwirtschaft für den beschleunigten Ausbau des Umweltverbundes eingesetzt werden.
- Zur Förderung des Alltagsradverkehrs im Ländlichen Raum müssen alle Landkreise spätestens 2027 über ein Radverkehrskonzept verfügen, das ein Zielnetz definiert, das alle Gemeinden und Ortsteile an die Einrichtungen der Daseinsvorsorge anbindet. Zur Entwicklung und Umsetzung der Konzepte sollen die Landkreise mit ihren Gemeinden in Radforen zusammenarbeiten. Alle Landkreise müssen einen jährlichen Umsetzungsbericht vorlegen.
- Das Land entwickelt gemeinsam mit Wissenschaft, Eltern- und Schüler:innenvertretung sowie Verbänden des Rad- und Fußverkehrs verbindliche Qualitätsstandards für die Verkehrserziehung in Schulen und Kindergärten. Die Jugendverkehrsschulen des Landes werden personell und materiell erheblich besser ausgestattet. So wird sichergestellt, dass jedes Kind in Kindergarten und Grundschule das Radfahren erlernt.
- Um die motorische Entwicklung und die Verkehrserziehung im Kindesalter zu unterstützen, sollen Kitas, Schulen, Horte und vergleichbare Einrichtungen flächendeckend mit Laufrädern, Rollern und Fahrrädern ausgestattet werden. Das Land muss die Kommunen finanziell unterstützen, damit jedes Kind niedrigschwellig an das Verkehrsmittel Fahrrad herangeführt werden kann.
- Die Fahrradmitnahme-Kapazität von Bahnen und Bussen in Hessen muss kontinuierlich ausgebaut werden. Das Land stellt den Verkehrsverbünden hierfür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung. Der Ausbau von Radabstellanlagen an ÖPNV-Haltestellen muss weiter beschleunigt werden.
Die Begründung ergibt sich aus dem Antragstext.