ADFC Hessen: Nachrichten

5.6.2023

Am 18. Juni 2023 in Frankfurt am Main

AG Mehrspurig zur EUROBIKE CITY PARADE

Dr. Harry Herrmann-Hubert

Als einer der beiden Sprecher und Mitbegründer der AG Mehrspurig reibe ich mir zunächst verwundert die Augen und frage mich: "Ja, geht denn das überhaupt, dass ALLE radfahren? Was ist mit denen, die mit einer Behinderung radelnd unterwegs sind? Oder jenen, die mit einem zwei- oder dreirädrigen Lastenrad ihre Kinder von A nach B kutschieren?" Um es vorwegzunehmen, ja, zumindest bei der City-Parade am 18. Juni wird dies nicht nur funktionieren, es ist sogar ausdrücklich erwünscht.

Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass es bei der Thematik "Radfahren und Inklusion" noch so einige Hürden zu überwinden gibt und der Alltag eines radelnden Menschen mit Einschränkungen nicht nur aus solchen erfreulichen Events besteht, wie sie die City-Parade mit ihren verkehrsmäßigen Sonderregelungen darstellt. Als Mitbegründer der AG Mehrspurig und als Dreiradfahrer mit Behinderung (aber auch als Opa mit bis jetzt einem Enkel) Betroffener, weiß ich, von was ich schreibe. Ich bin sehr froh darüber, dass der ADFC nunmehr auch die Themen "Mehrspurige Fahrräder" und "Inklusion" aufgegriffen hat und sich zukünftig vermehrt auch um diese Zielgruppen kümmern möchte.

Erste Schritte dazu wurden von Monika Schmidt für den Landesverband Hessen mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Mehrspurig", aber auch durch den Kreisverband Frankfurt a.M. von Thomas Koch durch die Aufnahme von ausgewiesenen "Dreiradtouren" in sein bereits seit vielen Jahren angebotenes Fahrradtourenprogramm unternommen. Dies ist wichtig, wenn man bedenkt, dass es auf diesem Gebiet bisher nur vereinzelt projektorientierte Aktivitäten (z.B. Tandemfahrten für Sehbehinderte) oder von verschiedenen Behindertengruppen initiierte Ausflugsangebote gibt. Aber kann das schon alles sein?

Wer regelmäßig auf unseren Straßen und Wegen unterwegs ist, dem ist sicherlich nicht verborgen geblieben, dass die Teilnahme am Straßenverkehr vermehrt auch durch die Benutzung von Dreirädern, Lastenrädern oder anderen Spezialrädern erfolgt. Und Besucher der Velo Frankfurt konnten sich und Besucher der EUROBIKE können sich einen Überblick verschaffen über die bereits vorhandene Angebotspalette an mehrspurigen Fahrrädern. Wenn es in den Grundregeln der Straßenverkehrsordnung heißt, jeder Verkehrsteilnehmer "hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird", dann sollte dies nicht nur für die am Straßenverkehr Teilnehmenden gelten, sondern insbesondere auch für die, die für die Verkehrsplanung und die Beschaffenheit der Straßen verantwortlich sind. Stichwort "Barrierefreiheit". Schlechte bis kaum passierbare Radwege (z.B. Schlaglöcher, Baumwurzeln), Radwegabsenkungen vor Garageneinfahrten, zu knappe Drängelgitter, wer täglich mit dem Dreirad unterwegs ist, weiß, was ich meine.

Harry Herrmann-Hubert (links) mit einer Radgruppe auf Dreiradtour

Stichwort "Mobilität und ÖPNV". Damit auch Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben können, muss man ihnen auch eine Mobilität mit überwindbaren Hürden zugestehen. Hierbei geht es um nichts Geringeres als um die Realisierung des im Grundgesetz Artikel 3 verankerten unveräußerlichen Menschenrechts "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" und um die Umsetzung der von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention, in der in Artikel 20 den Unterzeichnerstaaten der eindeutige Auftrag erteilt wird, alle Maßnahmen zu ergreifen, "um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen". Im Herbst 2012 hatte der Bundesgesetzgeber im Personenbeförderungsgesetz erfreulicherweise das Ziel formuliert, dass der Öffentliche Personennahverkehr ab dem 1. Januar 2022 vollständig barrierefrei zu sein habe. Leider hat er aber, ohne entsprechende Fördermittel dafür vorzusehen, die Umsetzung an die Länder bzw. deren Ausführungsorgane delegiert. Wer heute als Behinderter mit dem Dreirad oder Rollstuhl unterwegs ist, wird schnell feststellen, dass dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist. Die Umsetzung dieser Zusicherung von Mobilität und vollständiger Barrierefreiheit ist letztlich dem Kompetenzgerangel zwischen Bund, Ländern und Kommunen und ungelösten Finanzierungsfragen zum Opfer gefallen. Auch der "Leitfaden für die Mitnahme orthopädischer Hilfsmittel", der im Oktober 2022 von der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten der Deutschen Bahn herausgegeben wurde, bringt zwar Klarheit zu den Fragen, was geht und was nicht geht, im Grunde bestätigt er aber, dass die seinerzeit formulierten Ziele des Bundesgesetzgebers nicht erreicht wurden.

Auch deshalb ist es von großer Bedeutung, dass sich der ADFC dieser Problemlage annimmt und seinen politischen Einfluss geltend macht. Von Barrierefreiheit und einem behindertengerechten ÖPNV profitieren letztlich nicht nur Menschen mit entsprechenden Einschränkungen, auch für die Nutzer von Lastenrädern oder sonstigen Spezialrädern und nicht zuletzt für Eltern mit Kinderwagen wäre dies von Vorteil.

Ich rufe hiermit alle Dreiradfahrende und sonstige Spezialrad Nutzende dazu auf, beteiligt Euch an der CityParade am 18. Juni 2023. Unterstützt den ADFC, unterstützt die AG Mehrspurig. Je mehr Teilnehmende wir sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir gehört werden. Das müssen wir auch, denn die Zeit drängt, die Verkehrswende muss endlich Wirklichkeit werden! Und für die von Inklusion Betroffenen steht der Begriff Verkehrswende auch für "uneingeschränkte Mobilität" und "vollständige Barrierefreiheit". Ich persönlich werde mit gutem Beispiel mitradeln und auch einen kurzen Redebeitrag zur Thematik "Radfahren und Inklusion" halten.

Also schwingt Euch in die Pedale!

Dr. Harry Herrmann-Hubert


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